Regionale Küchen, wie die NEULAND-Küche der Zieglerschen oder das KBZO in Weingarten zeigten bei unserer fünften Innovationswerkstatt am 23. Juli 2024, wie eine erfolgreiche Eingliederung von biologischen und regionalen Produkten gelingen kann, aber auch wann die betreffenden Herausforderungen zu groß werden. Zudem konnten wir die Produktionsstätte der Tress Brüder besichtigen und damit ein großartiges Konzept zwischen regionaler Verarbeitung und nachhaltiger Bio-Gastronomie kennenlernen.
In Wilhelmsdorf bei der diakonischen Neuland-Küche der Zieglerschen wurden die Teilnehmenden von Norman Nelkert begrüßt. In der 2015 in Betrieb genommenen Küche mit 110 Angestellten (44 in Vollzeit) werden täglich rund 5.000 Essen mit 8 Menüvariationen im ‚Cook & Chill – Verfahren‘ zubereitet. Hinzu kommen viele individuelle Feinabstimmungen durch spezielle Diäten und Ernährungsformen. Verzehrt werden die Gerichte von den Gästen in den sozialen Einrichtungen der Zieglerschen wie den Seniorenzentren, den Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Schulen, Kindergärten und Kliniken der Zieglerschen. Aktuell steht die Planung einer Erweiterung der Küchenfläche an, da immer mehr Anfragen von externen bzw. kommunalen Einrichtungen wie Altersheime und Schulen an die Neuland-Küche herangetragen werden.
Schon jetzt beliefert die Küche Einrichtungen vom Bodenseeraum bis nach Stuttgart. Die Einrichtung einer Zentralküche sei laut Nelkert eine wichtige Entscheidung für die Wirtschaftlichkeit der Küche gewesen. Dreimal in der Woche werden die Menüs an 60 Anlieferungsstellen der rund 250 Einrichtungen geliefert. Ein Großteil der Lebensmittel wird regional bezogen, vereinzelt auch direkt von Produzent*innen aus der Region. Besonders bei der regionalen Bio-Linse funktioniert dies gut, denn die Linsen werden in 25kg-Säcken geliefert mit langer Haltbarkeit und kompakter Lagerfähigkeit. So können mit geringer Lieferfrequenz hohe Mengen realisiert werden und z.B. zu Linsenbolognese verarbeitet werden. Aber auch ein regionaler Metzgereibetrieb und eine regionale Molkerei beliefern die Küche. Am besten sei es für Herrn Nelkert allerdings, wenn eine Listung von neuen regionalen Bio-Produkten bei einem bestehenden Händler möglich ist, da die Küche keine weiteren Einzellieferungen annehmen kann.
Aus der eigenen Bio-Gärtnerei der Zieglerschen kann besonders im Sommer ein großer Anteil des Gemüses in Bio-Qualität (Sommer 60%, Winter 20%) angeboten werden. Bio-Salate werden sogar das ganze Jahr fast ausschließlich über die eigene Gärtnerei bezogen. Mit Frischeprodukten in Bio-Qualität komme es oft zu heterogener Qualität, welche zu höheren Personalkosten in der Verarbeitung der Lebensmittel führt. Zudem ist die regionale Verfügbarkeit der Bio-Lebensmittel, nach Herrn Nelkert, nicht so gegeben, wie von der Küche benötigt. Die Bio- und die DGE-Zertifizierung stellen für Herrn Nelkert keine Herausforderung dar. Bei DGE zertifizierten Gerichten zeige sich allerdings, dass die Speisen von den Gästen geschmacklich nicht immer gut angenommen werden.
Neben rund 20 % Bio-Anteil, spielt Digitalisierung in der Neuland-Küche eine große Rolle. Durch das MBS-Warenwirtschaftssystem, einer Sanalogic Produktionssteuerung und Speiseverteillogistik sowie der Nutzung von RieberCheck QR-Codes können viele Prozesse digital kontrolliert und gesteuert werden. Von der Warenannahme bis zur Speiseausgabe, ein großer arbeitswirtschaftlicher Vorteil.
Gegen Mittag erhielten die Teilnehmenden der Innovationswerkstatt einen leckeren und vielfältig gestalteten Imbiss aus der Küche serviert und konnten gestärkt zur zweiten Etappe nach Weingarten aufbrechen. Vielen Dank hierfür!
In Weingarten begrüßte uns Herrn Miller, der Küchenleiter der privaten Stiftung des Körperbehindertenzentrums Oberschwaben (KBZO). Die Küche wurde im Zuge der Biomusterregion im Jahr 2021 biozertifiziert mit einem Anteil von rd. 30 % (Trockenware und Grasrind). Das Gemüse stammt von der Reichenau und der Gemüseproduktion Botzenhard aus Laupheim. Salate, Gurken und Möhren werden wieder selbst geschnitten; weiteres FreshCut Gemüse bezieht das KBZO von Regio-Frucht aus Gundelfingen.
Heute werden an fünf Tagen in der Woche werden zwei Menüs und gesamt 1.200 Essen von 20 Personen (10 Vollzeitstellen) gekocht. Für das Wochenende werden den Bewohner*innen die Zutaten zum Kochen nur bereitgestellt. Das eigenständige Kochen wird somit als eine Art Therapie in das Wochenende eingepflegt.
Bei Biokuchen und Kaffee konnten wir weitere Themen diskutieren wie den Preisdruck der Küche durch die Restriktionen im Budget des Pflegesatzes. Die Entscheidung für Bio war nach Herrn Miller jedoch eine Grundsatzentscheidung zusammen mit dem Vorstand des KBZO. Mit der Frage „Was spricht gegen mehr Kooperation mit kleineren Erzeuger-Betrieben der Region?“ wurden die Liefergarantie und die Herausforderung von guten Kooperationsverträgen mit Logistikpartnern herausgestellt. Ist ein Produkt nicht vorhanden, kann bei der Abnahme bei einem Händler einfach Nachschub bspw. von einem anderen Land oder Hof erworben werden. Liegt ein direkter Warenbezug bei nur einem Partner vor, sind Risiko und Aufwand nach Herrn Miller bei der Küche viel höher. Die Verbesserung der Planungssicherheit durch ein solches Alternativangebot beim Händler sei ein wichtiges Kriterium. Weiters setzt die KBZO auf Kombinationsverträge – also Verarbeitung und Logistik in einer Hand.
Auch der fehlende fachliche Nachwuchs wurde thematisiert, welcher zukünftig in der Küche zu einer zentralen Herausforderung führen wird. Die Attraktivität des Berufes müsse nach Miller durch ein besseres Bildungsangebot, eine höhere Entlohnung und durch bessere Arbeitsbedingungen wieder gesteigert werden. Hier sei die Politik gefordert.
Am Nachmittag konnten wir hinter die Kulissen der Produktionsstätte der Tress Brüder GmbH schauen. Der kreative Kosmos um die vier Brüder, die sich die verschiedenen Aufgaben von Produktion, Vertrieb, Sterneküche, und Hotel teilen, umfasst heute mehrere Bio-Restaurants, Bio-Hotels, einen Verarbeitungsbetrieb und vieles mehr von Bio-Convenience-Produkten bis zur Bio-Sterne-Küche.
Neben der Belieferung von 80 Bioläden für deren Mittagstisch, möchten die Tress Brüder auch in den Markt der Außer-Haus-Verpflegung mit vorverarbeiteten Gerichten einsteigen. „Wir stellen uns das vor wie HelloFresh für die AHV“, beschreibt Christian Tress den noch jungen Betriebszweig. „Wir bereiten vorverarbeitete Gerichte in Großgebinden vor; die Bestandteile des Gerichts, welche frisch verarbeitet werden müssen, werden von uns mitgeliefert. Dadurch können wir das für viele Küchen bestehende Problem vieler verschiedener regionaler Bio-Lieferanten lösen und bieten ein hohes Maß an Transparenz zur Herkunft unserer Zutaten“. Durch das Angebot der Tress Brüder könnte es Betriebskantinen leichter fallen, den Einstieg zu mehr Bio-Gerichten zu meistern oder nur einzelne Bio-Gerichte anzubieten. Eine andere Idee ist eine Kantine als Frischküche zu übernehmen.
Die Bioprodukte beziehen die Brüder Tress u.a. bei den Landwirt*innen von WIR Bio Power Bodensee oder B-Ware über den Demeter-Verband.
Beeindruckend waren die großen Laufbänder und Kessel der 3.500 m2 großen Produktionsstätte. Mit einer Investition im zweistelligen Millionenbereich zählt das Unternehmen der Tress Brüder seit 2022 mit rund 90 Mitarbeitenden zu einem etablierten mittelständischen Arbeitgeber in der Region. Der von den Brüdern hochgeschätzte Familienbetrieb in der Gastronomie besteht hingegen bereits seit 150 Jahren.
Zum Abschluss des Tages kehrten die Teilnehmenden gemeinsam in den Bio-Gasthof Friedrichshöhle ein und konnten gleich dreierlei der Bio-Suppen verkosten. Die Demeter-Bio-Suppen und -Eintöpfe sind vegan und werden mit frischen Zutaten ohne Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe aus rein biologischem Anbau gekocht.
Ein nicht nur inspirierender, sondern auch leckerer und wohltuender Abschluss unserer BioRegio-Innovationswerkstätten.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden sowie Herrn Nelkert von der NEULAND-Küche, Herrn Miller vom KBZO und den Tress Brüdern für die interessante gemeinsame Zeit, die tollen Einblicke und schmackhaften Verpflegungen!
Projektleitung:
Bettina Dreiseitl-Wanschura
Projektleitung EIP-Projekt „BioRegio Außer-Haus“
E-Mail: bettina@dreiseitl.de
Tel.: 0151 / 44006304